Den Artikel lesen Sie hier (öffnet ein neues Fenster): observer-gesundheit vom 19.07.2022
Die Zahnärzteschaft in Deutschland muß in der Covid 19 Krise feststellen, dass sie zwar als systemrelevant eingestuft wird und mit Nachdruck darauf hingewiesen wird, dass sie ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen hat, aber in Bezug auf Unterstützung werden die ZahnÄrztinnen und ZahnÄrzte absolut vernachlässigt. In der Zahnmedizin nehmen ca. 35.000 Zahnärztinnen (von insgesamt ca. 69.000 Zahnmedizinern) an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Dazu kommen kommen ca. 200.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte zahnmedizinische Fachangestellte und ca. 30.000 Auszubildende. Das heißt, Zahnmedizin wird hauptsächlich von Frauen ausgeübt und leistet damit einen bedeutenden Betrag zur zahnärztlichen Gesundheitsversorgung. Wie mittlerweile bekannt ist, stellen die Einschränkungen der Pandemie besonders Frauen, vor allem Alleinerziehende, vor große Herausforderungen: So sind es weiterhin mehrheitlich Frauen, die die Kinderbetreuung neben ihrer Praxistätigkeit und Hausarbeit organisieren und das z. T. mit hohen Gehaltseinbußen aufgrund der Kurzarbeit. Praxisgründungen mit hohen Investitionskosten werden aufgrund der demographischen Veränderungen ebenfalls mehrheitlich von jungen ZahnÄrztinnen vollzogen. An dieser Stelle ist dafür Sorge zu tragen, dass der Berufsstand die gleiche finanzielle und materielle Unterstützung erhält wie alle anderen medizinischen Heilberufe. Doch mit der Verabschiedung des COVID 19-Krankenhausentlastungsgesetzes wurden die ZahnärztInnen von den Soforthilfen für finanzielle Unterstützung und bei der Beschaffung der notwendigen hygienischen Schutzausrüstungen für die Praxen gänzlich ausgeschlossen. Auch im Nachgang durch eine Verordnung zum Ausgleich Covid 19 bedingter finanzieller Belastungen am 30.04.2020 stehen Zahnmedizinern lediglich Liquiditätshilfen zur Verfügung, die innerhalb von 2 Jahren zurückgezahlt werden müssen. Der Verband der ZahnÄrztinnen plus fordert, ZahnÄrztInnen aktuell und zukünftig in finanzieller und materieller Unterstützung mit den Ärzten gleichzusetzen und sie nicht durch spitzfindige Gesetzgebungen zu „Ärzten zweiter Klasse“ zu degradieren.
An den Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn
Friedrichstr. 108
10117 Berlin
Bonn, 06.11.20
Offener Brief des Verbandes der ZahnÄrztinnen plus e.V.
Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Spahn,
Ihren offenen Brief an die ZahnÄrzteschaft vom 30.10.2020 haben wir als VZAEplus e.V. zur Kenntnis
genommen.
Wir möchten Ihre Post nicht unbeantwortet lassen, auch wenn der Bundesverband des Freien Verbandes der
Zahnärzte Ihnen gestern bereits im Namen des Freien Verbandes geantwortet hat. Inhaltlich gehen wir mit
dem Brief des Bundesvorstandes des FVDZ ausdrücklich konform, dennoch haben wir als Verband der
ZahnÄrztinnenplus die ein oder andere Ergänzung zu Ihrer Kenntnisnahme anzumerken.
Der Verband der ZahnÄrztinnen plus e.V. ist eine noch junge berufspolitische Interessensvertretung für
ZahnÄrztinnen plus ZahnÄrzte. Wir sind standespolitisch bereits in einigen Kammern vertreten und stehen
für Transparenz, Solidarität, Parität und den Erhalt der Freiberuflichkeit unseres geliebten Berufes in
all seinen Facetten. Wir verstehen uns als Sprachrohr der jüngeren, neuen Generation unseres
Berufsstandes.
Die in Ihrem Brief angeführten Punkte, dass die ZahnÄrztInnen mit Ihren Praxisteams seit Jahrzehnten
hervorragende Arbeit leisten im Bereich der Prävention und Therapie und dies in der Pandemie ebenso
selbstverständlich wie höchst professionell tun, zeichnet uns aus und ist nicht zuletzt unserer
langjährigen universitären Ausbildung geschuldet, die der eines Medizinstudiums in nichts nachsteht.
Ebenso sind wir ständig in Bewegung was Weiterbildung und Fortschritt angeht und haben uns immer weiter
spezialisiert und die Zahnmedizin zum Wohle der Mundgesundheit perfektioniert. Wir haben hinter den
Radiologen die kostenintensivsten Praxen, sowohl was Einrichtung, Hygiene, Wartung, Validierung,
Qualitätsmanagement und Fortbildung angeht.
Umso verwunderlicher ist zum einen, dass Sie uns jetzt in einem Brief ansprechen, wo Sie in der
Vergangenheit keine Bekanntmachung, Veröffentlichung oder Verordnung ausgelassen haben, die
ZahnÄrztinnen und ZahnÄrzte unerwähnt zu lassen, bis hin zur Nicht-Systemrelevanz. Diese überbordende
Ignoranz unseres Berufsstandes Ihres Ministeriums und Ihrer Person hat dazu geführt, dass z.B. zu Zeiten
des ersten Lockdowns unsere Kinder, sowie die unserer MitarbeiterInnen nicht in KiTas oder Schulen
betreut wurden im Rahmen der Ausnahmeregelung der Systemrelevanz. Das mag Ihnen jetzt nur ein müdes
Lächeln abringen, war und ist bis heute für niedergelassene KollegInnen und ihre MitarbeiterInnen ein
tatsächliches existenzielles Problem, dessen Lösung durch Sie so einfach gewesen wäre.
Ebenso wurden wir nicht berücksichtigt im Verteiler der PSA, da wir nicht systemrelevant waren, gemäß
Ihren eigenen ministerialen Vorgaben. Von den Lieferengpässen wurden wir im Gegensatz zu Ihnen, der Sie
vorgewarnt waren, ebenso getroffen und sind es bis heute, was die exorbitant gestiegenen
Anschaffungskosten angeht. Bis heute ohne irgendeinen Ausgleich. Hier wäre eine Fallpauschale pro
Behandlungsfall in einer Größenordnung von 20 Euro seit Jahren längst überfällig und im Rahmen der
Pandemie noch zu erhöhen gewesen.
Zusammen mit den rückläufigen Fallzahlen, hier werden von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
KZBV bundesweit bis zu 40% angegeben (hierin sind die Privatleistungen nicht enthalten, daher liegt der
Wert vermutlich doppelt so hoch), dem daraus resultierenden Rückgang der Abschlagszahlungen bei dann
zusätzlich um bis zu 600% gestiegenen Kosten für Hygiene, PSA, etc., stellt das gerade für junge
Praxisinhaber ohne Rücklagen mit einem durchschnittlichen Investitionsvolumen von 450k ein
existenzielles wirtschaftliches Problem dar. Die angestellten ZahnÄrzte und ZahnÄrztinnen sind ebenso
betroffen, da durch die wirtschaftliche Schieflage der Praxisbetreiber Ihre Arbeitsplätze gefährdet
sind.
Den vermeintlichen Rettungsschirm, der uns angedacht wurde, Ihre zitierte Verordnung des BMG aus dem
April 2020, ein zu hundert Prozent rückzuführendes Darlehen. Auch hier diffamieren Sie uns im Gegensatz
zu Ärzten und Psychotherapeuten, die eine 90%tige nicht zurückzuführende Absicherung erhalten und damit
wirtschaftlich zumindest das Überleben gesichert haben. Sie führen hier die überbordende
Haushaltsbelastung des Bundeshaushaltes an und suggerieren damit, dass die ZahnÄrzte einen so hohen
Anteil daran nehmen würde, wenn diese auch noch zu unterstützen seien. Dem ist aber nicht so, da sich
der Anteil der zahnmedizinischen Kosten am Gesamtvolumen der Gesundheitskosten gerade mal marginal im
einstelligen Prozentbereich bewegt. Hier würde also ein „Wenig“ viel bewirken.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für die ZahnÄrztinnen und ZahnÄrzte bleiben nicht ohne
Folgen.
Die Landpraxen sind wie bei den ÄrztInnen schon heute nicht mehr zu übergeben, da sich keine
ÜbernehmerInnen finden. Die älteren Kollegen geben vorzeitig ab, viele bereits zum Januar. Dummerweise
ist das die zahlenmäßig starke Babyboomer - Generation. Die junge ZahnMedizin ist verschreckt, ob des
politischen Umgangs mit Ihnen und ist zurückhaltender denn je mit der Aufnahme von Krediten zur Gründung
oder Übernahme von ZahnArztpraxen. Dieser Prozess hat
durch die Pandemie immens Fahrt aufgenommen, Ihre Politik und der Umgang mit den ZahnÄrztinnen und
ZahnÄrzten war das Dynamit der Geschwindigkeit.
Erschwerend hinzukommt, dass hier politische Weichen nicht rechtzeitig, auch durch unsere zum Teil
überalterten Selbstverwaltungstrukturen erkannt wurden. Zur Schaffung von Möglichkeiten für die junge,
überwiegend weibliche Generation der ZahnÄrztinnen, eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, z.B. durch
flächendeckende Abschaffung des nächtlichen ZahnÄrztlichen Notdienstes oder Zentralisierung desselben.
Zur Folge wird das ein Problem in der flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung haben und zwar nicht
nur im ländlichen Raum, sondern auch in den urbanen Regionen.
Helmut Schmidt prägte einmal den Satz „In der Krise zeigt sich der Charakter“. Die ZahnÄrztinnen und
ZahnÄrzte haben Charakter gezeigt in der Krise.
Für den Verband der ZahnÄrztinnen plus e.V.
Dr. Anke Klas Dr. Anja Seltmann Dr. Andrea Servos VZÄplus e. V.; Vereinsregister Köln, VR 20538
Hausdorffstr. 193, 53129 Bonn, 0228-23 22 23
info@vzaeplus.de
In Köln gründete sich als VZÄ plus e.V. ein zahnärztlicher standespolitischer Verband, der neue Wege in
der Berufspolitik beschreiten wird (in Nachfolge zum Verband der ZahnÄrztinnen, der zum 30.06.20
liquidiert ist).
Die Gründungsversammlung wählte Dr. Anke Klas, Bonn (1. v. l.), Absolventin der AS-Akademie, zur
Präsidentin. Als Vizepräsidentinnen stehen ihr Dr. Andrea Servos, Kaarst (2. v. l.), Schwerpunkt
angestellte
ZahnÄrzte/-innen, sowie Dr. Anja Seltmann, Hamburg (3. v. l.), Absolventin der AS-Akademie, Schwerpunkt
selbstständige Zahnärzte/-innen, zur Seite. Zur Schatzmeisterin gewählt wurden Dr. Sibylle Bailer, Köln,
sowie Bettina Buchmüller, Köln. Schriftführerin ist Dr. Juliana Fuß, Köln. Dr. Peter Blattner, Essen,
erfüllt den
Beisitz Digitalisierung und Fortbildung und Herr Dr. Stefan Seltmann, Hamburg, den Beisitz Praxistechnik
und IT. Weitere Gründungsmitglieder sind Sarah Soika, Troisdorf und Dr. Farina Blattner, Essen.
Der Antrieb des neuen Verbandes bildet das Ziel der Nachwuchsarbeit sowie Gleichstellung und
spiegelbildlichen Abbildung aller im Beruf Tätigen in den politischen Gremien.
Trotz vieler Jahre der Forderungen innerhalb der europäischen und bundesweiten Politik ist dieses Ziel
nach wie vor nicht erreicht , z.B. ist Deutschland noch immer Schlusslicht bei der Gleichstellung in
Europa
(SPIEGEL 27.5.2020) und strukturelle Benachteiligungen von Frauen und Jüngeren existieren in
vielfältiger Form.
Zudem ändern sich die zukünftigen Strukturen der selbständigen Zahnarztpraxen. Sie werden weiblicher,
älter, weniger Praxen und mehr Teilzeit Tätige (ATLAS DENTAL, 2018; Rebmann, Heinzmann, Leonhard).
Der VZÄ plus e. V. hat dieses im Blick und wird mit Erhalt der Freiberuflichkeit rein zahnärztliche
Praxismodelle entwickeln.
Die aktuelle Herausforderung durch die Corona-Pandemie zeigt leider deutlich, dass unsere
Berufsgruppe eine stärkere Führung benötigt, die innerhalb der Bundespolitik den systemrelevanten
Status der ZahnmedizinerInnen vertritt und nicht einmalige Gelegenheiten verstreichen lässt, um unsere
politischen Forderungen durchzusetzen. Diese Führungsspitzen unserer Körperschaften benötigen heute
umso mehr neuen Input in ihrer Berufsvertretung. Diesen Input möchte der neue VZÄ plus e. V. geben.
Durch seine Mitglieder, die die aktuelle Gruppe der Berufsausübenden abbilden werden, steht er in
Zukunft in Kammer- und KZV Bezirken zur Wahl.
Das Arbeitsfeld ist groß: Erhalt der Freiberuflichkeit, Systemrelevanz, Gleichstellung in Gremien,
Altersvorsorge, Notdienstreform, Mutterschutzregelung, Beschäftigungsverbot, Hygieneverordnung,
Umweltschutz, Digitalisierung, Aktualisierung Gebührenordnungen, Hilfe zur Niederlassung,
Fortbildungen...und persönlicher Austausch. Wir sind eine unentbehrliche junge und innovative Stimme
für die ZahnÄrzteschaft.